Brand hat wie viele andere Dörfer in den vergangenen Jahrzehnten die negativen Auswirkungen eines tiefgreifenden Wandels zu spüren bekommen: Die typische Ortsmitte mit Kirche, Metzgerei, Bäckerei, Wirtshaus gibt es nicht mehr. Allerdings nehmen die Brander sehr aktiv an dem teil, was vor ihrer Haustür passiert. Das war bereits bei der Dorferneuerung und Flurbereinigung der Fall. Um die Jahrtausendwende erlebte Brand eine Flurbereinigung der fortschrittlichen Art, ökologisch sensibel, mit Rücksicht auf die Landwirtschaft. Das Wirtschaftswegenetz und den Hochwasserschutz hat man behutsam modernisiert, die Wirtschaftswege zumindest an einer Seite mit Bäumen und Sträuchern sowie Blütenstreifen bepflanzt. Bachläufe kamen in ihr ursprüngliches Bett. Und – das Beste – die Bürger packen bei der Pflege heute noch mit an: Ein Arbeitskreis Naturschutz des Fichtelgebirgsvereins Brand macht sich für Natur- und Artenschutz stark.

Im Ortskern setzte ab den 1990er Jahren die Dorferneuerung Akzente. Das ehemalige Schulgebäude verwandelte sich in einen stattlichen Mehrzwecksaal für Veranstaltungen jeder Art. Die Kirche und das Rathaus mitsamt Vorplatz präsentieren sich einladend renoviert. Am Stadtrand und in den Ortsteilen wuchs moderne Architektur in die Höhe, vor allem für prosperierende Betriebe. Einer dieser Standorte befindet sich auf dem das Gelände der ehemaligen Schuhfabrik Erwin Gläßl Arzberg, Ortsteil Bernlohe. Hier fertigten Arbeiter von 1964 bis 1988 Sandalen und Schäfte. 2001 erwarb der iranische Geschäftsmann Kourosh Mansory das brach liegende Areal. Sein Unternehmen veredelt für exklusive Kunden, darunter Lukas Podolski und Paris Hilton, Luxus-Autos. Der Sitz der 1989 in München gegründeten Firma wechselte nach Brand und wurde zuletzt um ein Gebäude mit Show-Room und um eine hochmoderne Lackiererei erweitert. Während Mansory zwischen 30 und 40 Mitarbeiter beschäftigt, strömen in ein anderes hochmodernes Werk am südlichen Ortsrand jeden Tag über 300. Hier befindet sich die Verwaltung der 1914 in Brand gegründeten Firma Schiettinger, die unterschiedliche Verpackungen und Displays aus Voll- und Wellpappe fertigt.

 

DER ORT MIT ZWEI ZENTREN

Das Gebiet, in dem der Gemeindebezirk Brand liegt, wird urkundlich erstmals im Jahre 1061 erwähnt. Der Name verweist darauf, dass hier Wald abgebrannt wurde, um Platz für eine Neusiedlung zu schaffen. Die Fichtelberger Straße bildete das historische Zentrum. In der Zeit von 1850 bis 1860 änderte sich das Ortsbild wegen drei großer Brände jedoch völlig. Beim Wiederaufbau wurden alle Häuser massiv aus Stein gebaut. Das neue Zentrum mit Rathaus und Kirche entstand an der heutigen Max-Reger-Straße (im Bild vom Kirchturm aus fotografiert).
(Foto: Gemeinde Brand)

 

 

 

 

500 ARBEITSPLÄTZE BEI ETWA 1150 EINWOHNERN

Insgesamt zählt Brand rund 500 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze – bei etwa 1150 Einwohnern eine beachtliche Anzahl. Gleichwohl blieb der Ort von den Stürmen der Globalisierung nicht verschont. 2008 ging die heimische Bierdeckel-Fabrik Goetz Pleite. Gut möglich, dass aber hier bald der Prinz kommt, um das versteckt an der Fichtelnaab gelegene Areal wach zu küssen. Ein Investor aus der Energiebranche hat Interesse angemeldet.

Im Zentrum ist die Gemeinde derweil in eine neue Dimension der Ortsentwicklung vorgestoßen. Drei Pilotprojekte sind ab 2015 mit Mitteln der Städtebauförderung ins Rollen gekommen und haben etliche neue Vorhaben angestoßen, vor allem im Sanierungsgebiet Fichtelberger Straße. Der Münchner Architekt Peter Haimerl stand bei der Entwicklung Pate. Zusammen mit dem Gemeinderat stellte er Überlegungen an, wie man drei Brachen in regelrechte Vorzeigeobjekte verwandeln könnte. Nummer 1: das seit 2004 geschlossene Freibad. Nummer 2: ein ehemaliges Wohnhaus und ein Stallgebäude in der Fichtelberger Straße. Nummer 3: das alte Schlachthaus, ebenfalls zentral an der Fichtelberger Straße gelegen.

„Für das Freibad-Areal wurden seit 2004 mehrere Konzepte entwickelt. Jedoch fand sich kein Investor“, erinnert sich Ludwig König. Der 74-Jährige gehörte 20 Jahre lang dem Gemeinderat an und diente der Gemeinde von 2008 bis April 2020 als Bürgermeister. Der Architekt Peter Haimerl brachte das Netzwerk und das Know-how mit, um Investoren für das Freibad-Areal zu gewinnen. Auf dem Gelände sollen schicke Wohnräume und CoWorking-Spaces entstehen. Für Pilotprojekt Nummer 2, das Wohnhaus und den Stall, liegen Pläne für acht Wohnungen und einen Neubau vor. Das Projekt Nummer 3, der im Sommer 2020 abgeschlossene Umbau des alten Schlachthauses, ist im Zusammenhang mit der Ortserneuerung jedoch das Schlüsselprojekt. Das Gebäude schließt eine Lücke: als vielseitig nutzbarer öffentlicher Raum und als Blickfang des Ortes.

Beachtlicher Freizeitwert: Brand wartet nicht nur mit einer schönen Umgebung auf, sondern auch mit vielen Veranstaltungen. Bevorzugt finden diese im Mehrzwecksaal statt, zukünftig aber auch rund um das „Schwebende Schlachthaus“.
(Fotos: Gemeinde Brand, Gerald Hoch)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ZIEL: DORFENTWICKLUNG VON INNEN NACH AUSSEN

Das Ziel der Ortsentwicklung ist klar. Gemeinderat Wolfgang Doleschal formuliert es wie folgt: „Wir wollen keinen ‚Donut-Effekt‘, wo sich sterile Neubausiedlungen um einen verlassenen Ortskern bilden. Wir wollen das Dorf wieder von innen nach außen gestalten und Flächen nachhaltig nutzen.“ Die lebhafte Diskussion über das Schlachthaus-Projekt sei vom Architekten so gewollt, führt er aus. Ebenso, dass in der Gemeinde weitere Projekte in Eigeninitiative entstehen. Und genau das gelingt in Brand wunderbar: Fassaden werden erneuert, Wohnräume energetisch saniert, Leerstände beseitigt. Dafür stehen so viele Fördermittel wie noch nie zur Verfügung. Das Zentrum wird damit speziell auch für junge Familien attraktiv.

„Wir sind optimistisch, dass wir die Einwohnerzahl konstant halten können“, freut sich Gemeinderat Michael Brucker. Ein gutes Miteinander bestimme auch die Arbeit im Gemeinderat. Jugendlichen stellen einen eigenen Jugendgemeinderat. Alle Bürger könnten sich an der Entwicklung beteiligen, sagt Brucker, „offen und ehrlich miteinander reden, abwägen und entscheiden und gegebenenfalls Kompromisse eingehen.“

Der Nachwuchs ist gut aufgehoben, ob im Kindergarten Brand oder im Jugendgemeinderat.

 

STARKES KULTUR- UND VEREINSLEBEN

Bleibt die Frage: Warum funktioniert das alles in Brand so gut? Erfolgsrezepte gibt es auch hier nicht. Es ist jedoch kein Zufall, dass gemeinschaftliche Erlebnisse und Aktionen in der Gemeinde einen besonderen Stellenwert genießen, ob in der Wettkampfgruppe der Freiwilligen Feuerwehr (Wettkampfgruppe Fuhrmannsreuth), die sich sportlich auf deutschem Meisterschafts-Niveau betätigt, oder in der Aktionsgruppe Naturschutz. Eine herausragende Rolle für das Gemeinschaftsleben spielt zudem die Theatergruppe Brand.

Brand verbindet das Fichtelgebirge mit der Oberpfalz und lockt mit herrlichen Ausflugszielen wie dem Gregnitztal. (Foto: Gerald Hoch)

 

Intaktes Ökosystem: Bei der Flurbereinigung wurden Sträucher entlang der Wege gepflanzt, um Tieren einen Unterschlupf zu bieten.

 

Zunehmend wichtiger werden auch Veranstaltungen rund um den bekanntesten Sohn der Stadt, den Komponisten Max Reger. Wie kein zweiter hat sich Bertram Nold um dessen Erbe verdient gemacht. Obwohl er keine Ausbildung zum Organisten absolviert hat, spielt der kulturbeflissene Mann im Ort seit fast 50 Jahren die Orgel. 1979 übernahm er zudem die Leitung im „Max Reger Chor“. Im Gespräch gibt er unumwunden zu, dass es viel Durchhaltevermögen kostete, Brand dorthin zu bringen, was es heute ist: ein echtes Kleinod. Wer es einmal schätzen gelernt hat, möchte es nicht mehr missen.

| OLIVER VAN ESSENBERG |