Im Interview erklärt der Landtagsabgeordnete Martin Schöffel (CSU), welche Stärken das Fichtelgebirge in Zeiten von Corona offenbart und was die Herausforderung für unsere Grundwerte bedeutet.
Welche Werte sind Ihnen in Zeiten der Corona-Krise als besonders wertvoll bewusst geworden?
Martin Schöffel: Natürlich, welch unschätzbarer Wert es ist, gesund zu sein und jeden Tag ohne fremde Hilfe seinen Alltag gestalten zu können. Und etwas ist mir auch besonders aufgefallen: Es ist ein großer Wert, ein gutes persönliches Umfeld und gute Nachbarschaft zu haben. Bei uns auf dem Land ist das noch stärker ausgeprägt als in der Großstadt, wo man möglicherweise den Nachbarn gar nicht mehr mitkriegt. Werte der Heimat haben insgesamt an Bedeutung gewonnen.
Was kann Politik tun, um regionale Kreisläufe, die dem Prinzip der Nachhaltigkeit folgen, zum Beispiel in der Landwirtschaft, zu fördern, damit diese im Zuge der Globalisierung nicht weiter an Substanz verlieren?
Martin Schöffel: In Krisenzeiten ist deutlich geworden, wie wichtig regionale Wirtschaftskreisläufe sind. Leider ist vielen Menschen der Zusammenhang zwischen nachhaltiger Landbewirtschaftung und Versorgung mit Nahrungsmitteln verloren gegangen. Corona hat aber gezeigt, wie schnell die grenzüberschreitenden Logistik- und Lieferketten nicht mehr zuverlässig sind. Daher gilt es umso mehr, auf regionale Netzwerke zu setzen, aber auch auf eine gesicherte nationale Versorgung. Wir wollen in Bayern noch stärker mit Kennzeichnungen arbeiten, um ein Bewusstsein und eine Information dafür zu schaffen, wo die Produkte herkommen. Zudem setzen wir auf Quoten. Zum Beispiel wollen wir in öffentlichen Kantinen erreichen, dass mindestens 50 Prozent aus biologischer und regionaler Erzeugung stammen. Auch die Öko-Modellregionen Siebenstern, Steinwald und Stiftland, die der Freistaat stark unterstützt, sind ein Instrument, um regionale Kreisläufe zu stärken, um nur eine weitere Maßnahme zu nennen.
Welche Rolle spielt der Ausbau der IT-Infrastruktur, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen?
Martin Schöffel: Die Ausgangssituation im Fichtelgebirge ist zum Glück gut. Über 98 Prozent der Haushalte sind an Breitband angebunden, ein Wert den wir bisher aus Großstädten kennen. Das ist eine sehr gute Voraussetzung für Home-Office und Video-Konferenzen. Wir werden aber auch neue digitale Einsatzfelder etablieren. Das reicht von besserer Ausstattung der Schulen, über innovative Formen des öffentlichen Personennahverkehrs bis zu Fragen, wie Behörden durch Digitalisierung unbürokratischer und bürgernäher werden können.
Gehen Sie davon aus, dass wir langfristig Einschränkungen der Freiheit zu erdulden haben, bei der Gesundheit und in der Freizeit, Stichwort Tracing-App?
Martin Schöffel: Gesundheitsforschung und Vorsorge werden sicher an Bedeutung gewinnen. Aber generelle Einschränkungen der Freiheit und des Datenschutzes darf es nicht geben. Der Staat will die Menschen nicht überwachen, um zu sehen, wo sie sich bewegen und welche Krankheiten sie haben, wie Verschwörungstheoretiker unterstellen. Freiheit und Selbstbestimmung des Einzelnen sind höchste Verfassungsgüter in unserem Land. Aber Freiheit alleine reicht nicht, wenn es keine Sicherheit gibt. Das gilt bei der Verhinderung von Verbrechen genauso wie bei der Eindämmung einer Pandemie.
Bei der Bewältigung der Krise scheinen auch die starken zivilgesellschaftlichen Errungenschaften zu helfen, die wir in Deutschland haben, und damit eben auch Werte wie Hilfsbereitschaft und Achtung. Das Grundgesetz ist auch 71 Jahre nach seiner Verabschiedung noch sehr lebendig, oder?
Martin Schöffel: Was mich nachdenklich gemacht hat in dem Zusammenhang, war eine Rede des Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble. Er hat darauf hingewiesen, dass sich bei uns alles, was wir tun, von der Menschenwürde und deren Schutz ableitet. Das zeigt in der jetzigen Situation, warum es einerseits gerechtfertigt ist, für den Gesundheitsschutz staatlich einzugreifen, wo andererseits aber auch die Grenzen staatlicher Reglementierung erreicht sind, wenn nämlich für Einzelne ein menschenwürdiges Leben nicht mehr möglich sein sollte.
Welche Stärken hat das Fichtelgebirge in der Corona-Krise offenbart?
Martin Schöffel: Es ist ein Segen und ein Glück, dass wir in so einem großartigen Naturraum leben. Wenn auch das normale Leben eingeschränkt ist, haben wir trotzdem unsere einzigartige Natur, unseren Wald, Kulturlandschaft und Seen. Das gibt schon viel Abwechslung und seelische Ruhe.
Ob das ausreicht, dass Menschen ins Fichtelgebirge ziehen?
Martin Schöffel: Sicher orientieren sich die Menschen primär an den Berufsmöglichkeiten. Aber da bieten wir durch mittelständische Unternehmen hervorragende Voraussetzungen. Die Digitalisierung bietet neue Chancen, von zu Hause aus zu arbeiten. Weil es zudem menschlich und kulturell passt, eine gute Gesundheitsversorgung und gute regionale Lebensmittel vorgehalten werden, gibt es doch viele Gründe, zu uns zu kommen.
| INTERVIEW: OLIVER VAN ESSENBERG |